Maria Stuart im Palast der Republik


Mit: Cornelia Schmaus, Teresa Harder, Axel Wandke, Udo Kroschwald, Volkmar Kleinert , Thomas Huber, Kristian Wanzl, Mattef Kuhlmey

Regie – Katrin Hentschel, Dramaturgie – Anja Nioduschewski, Bühne – Karin Ocker, Kostüme – Rudi, Musik – Mattef und Alexander Lode, Licht – Henning Streck, Presse u. Öffentlichkeitsarbeit – Lavinia Reinke, Produktionsleitung – Sebastian Schulze-Wittmann

Eine Produktion von HAMLETbüro Zwei e.V. gefördert vom Hauptstadtkulturfond, Sennheiser, u.a.

Premiere: 19.Oktober 2004

Der PALAST DER REPUBLIK Der ehemalige DDR-Volks-und-Regierungs-Palast stand 14 Jahre leer. Gestrandet im Zwischenreich eines politischen Umbruchs. Ideologischer Dinosaurier und hoffnungsvolle Raumstation zugleich. An ihm scheiden sich die Geister im Umgang mit der Geschichte. Und der Termin für seine Hinrichtung scheint immer mal wieder festzustehen.
MARIA STUART Die Hinrichtung der Stuart verschob Königin Elisabeth Tag um Tag – 19 Jahre lang. Elisabeth, eine moderne Regentin auf der Suche nach einer verbindlichen Zukunft für ihr Land, will die alte und lästig gewordene Rivalin beseitigen. Doch zweifelt sie an ihrer Berechtigung, dies auch zu tun. Jede politische Rechtfertigung klingt wie das Alibi für einen Mord. Die Stuart taumelt in einer politischen Warteschleife. Ihre Anhänger geben sie aber noch lange nicht verloren.
MARIA STUART + PALAST DER REPUBLIK Zwei mit Hoffnungen überladene Objekte. Ein Palast-Vakuum, das die Geschichte(n) wieder ansaugt. Die Stuart als personifizierter Zweifel an der Möglichkeit, politisch gerecht zu handeln, die richtige Entscheidung über den Andersdenkenden zu treffen.
Zweimal schon ist der Berliner Schlossplatz in einem November von der Geschichte heimgesucht worden: Vom Schlossbalkon rief Karl Liebknecht eine sozialistische Republik aus, die nicht zustande kam. Jetzt soll der dort noch als leere Hülle stehende PALAST DER REPUBLIK entsorgt werden, als letzte Insignie eines sozialistischen Staates, der sich in einer anderen Novemberrevolution weltfreundlich selbst entsorgt hat.
Kein Ort Berlins besitzt derzeit so viel historische „Übersichtlichkeit“.
Kein Ort, an dem die Vexierbilder der Geschichte so wild changieren.
Regisseurin Katrin Hentschel inszeniert mit Schillers MARIA STUART im entkernten Palast noch einmal exemplarisch: den Kampf um den Platz im Zentrum der Macht – in der leeren Mitte Berlins.
TEXT: ANJA NIODUSCHEWSKI

Fotos David Baltzer

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Frankfurter Rundschau, 1.12.2004
Palastfrost von Ulrich Herrmann

Es war einer der ersten Berliner Kaltnebeltage. Die Szene spielt im Sony Center, 9. Stock, vor zwei Wochen. Unterm Zeltdach, dort, wo kein Himmel ist über der Stadt. Der Regisseur Ken Loach beantwortet lauter artige Fragen zu Just a Kiss, seinem neuem Kinofilm. Und beginnt sich zu langweilen. Bis er, getrieben von einer feinen Laune, selbst eine Frage stellt: Ob es stimme, dass die Berliner ihren alten sozialistischen Volkspalast abreißen werden. „Oh yes, indeed…“ – „So, if you Germans got your castle, you can have our queen, if you want.“ Wie von Zauberhand ist der heitere Gedanke bizarre Realität geworden. Zehn Tage lang war Elisabeth Hausherrin in Berlins Gefriertruhe, dem im kalten Knochengewand erstarrten Palast der Republik. Aber nicht die ewig heutige, kleinwüchsige, in mildes Dauerlächeln verstrickte Queen Elisabeth II., sondern Elisabeth I., das Original herself, aus Schillers Drama Maria Stuart . Nein, bitte nicht schon wieder, Schillerjahr und eine Maria nach der anderen, von Butzbach bis Glücksburg. Aber diese Maria hatte etwas Einmaliges: Sie haben Sie verpasst! Wer? Ja, Sie alle, wer immer diese Zeilen kreuzt. Und damit einen der schönsten Auftritte der letzten Zeit. Er gehört einer der klügsten, machtvollsten Erscheinungen deutscher Schauspielkunst: Cornelia Schmaus. Sie war zehn vergessene Tage lang Königin des Frosts. So inwendig, bis zum finalen Erstarren, war noch nie eine Elisabeth zu sehen. Eine virtuos launische, sich nach ein wenig Wärme sehnende Überlebenskünstlerin mit einer sinnlichen Portion Zweifel im Herzen, in einem deutschen Endzeitmärchen. Nur ganz wenige wagten sich in die schreckensgroße Ruine, die aber wurden belohnt: In Decken gehüllt, vor Kälte bibbernd, mit verlangsamten Herzschlag. Das Wunder wurde wahr: Der Palast hat gelächelt. Gestern war letzte Vorstellung. Eine Welt ist versunken, komplett ignoriert von der atemlosen Hauptstadtpresse. Vielleicht ist das der Zustand unseres Theaters: Dort, wo es ist, ist keiner. Aber vielleicht eine Königin ohne Schloss. Und ein paar letzte Treue, fröstelnd, dankbar.